Einer der Hauptgrundsätze des luxemburgischen Bildungssystems besteht darin, die Schule allen Schülern zugänglich zu machen, auch jenen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Ziel ist es, die Vielfalt aller zu berücksichtigen und die Schule an die spezifischen Bildungsbedürfnisse jedes einzelnen Schülers anzupassen.
Hier finden Sie Erläuterungen zu den wichtigsten Begriffen der schulischen Inklusion in Luxemburg.
Angemessene Vorkehrungen
Angemessene Vorkehrungen (aménagements raisonnables) sind Sondermaßnahmen, die einem Schüler bewilligt werden. Sie dienen dazu, die Lern- und Bewertungsmodalitäten den Bedürfnissen des Schülers anzupassen. Dadurch wird ihm ermöglicht, sich den Unterrichtsstoff leichter anzueignen und die Klassenarbeiten besser zu bestehen. Dabei kann es sich zum Beispiel um eine Anpassung des Klassenzimmers, eine angemessene Darstellung der Fragen, mehr Zeit bei Prüfungen oder den Rückgriff auf technische Hilfsmittel zum Ausgleich von Beeinträchtigungen handeln.
Assistenten für Schüler mit besonderem Förderbedarf (A-EBS)
Die Assistenten für Schüler mit besonderem Förderbedarf (assistants pour élèves à besoins éducatifs spécifiques, A-EBS) unterstützen die spezialisierten Lehrer für Schüler mit besonderem Förderbedarf (instituteurs spécialisés dans la scolarisation des élèves à besoins éducatifs spécifiques, I-EBS) bei ihren Aufgaben. Sie können den betroffenen Schülern zudem bei den Handlungen des täglichen Lebens helfen, um ihre Teilnahme an Aktivitäten an allen Orten des Schullebens zu ermöglichen.
Commission des aménagements raisonnables (CAR)
Die Commission des aménagements raisonnables (CAR, Kommission für angemessene Vorkehrungen) legt die angemessenen Vorkehrungen fest, die dem Schüler bewilligt werden, um sein Lernumfeld an seine Bedürfnisse anzupassen.
Mittels einer entsprechenden Akte und unter der Bedingung, dass die Eltern oder der volljährige Schüler ihr schriftliches Einverständnis gegeben haben, kann die Inklusionskommission (commission d’inclusion, CI) der Sekundarschule einen begründeten Antrag einreichen. Auch die Eltern oder der volljährige Schüler können einen solchen Antrag stellen.
Commission nationale d’inclusion (CNI)
Die Commission nationale d’inclusion (CNI, Nationale Inklusionskommission) ist auf nationaler Ebene tätig. Ihre Aufgabe ist es, die Anträge betreffend eine spezialisierte Betreuung eines Schülers mit besonderem Förderbedarf zu bearbeiten. Die CNI handelt in der Regel auf der Grundlage eines durch die Eltern oder den volljährigen Schüler, durch einen zugelassenen psychosozialen Dienst oder durch den behandelnden Arzt des Schülers eingereichten Antrags oder einer durch eine Inklusionskommission (commission d’inclusion, CI) mit der Zustimmung der Eltern oder des volljährigen Schülers eingereichten Akte.
Die CNI beauftragt häufig ein oder mehrere Kompetenzzentren mit der Erstellung einer Fachdiagnose.
Fachdiagnose
Dank einer Fachdiagnose kann der besondere Förderbedarf des Schülers genau ermittelt und die an diesen Bedarf angepassten Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen festgelegt werden. Die Fachdiagnosen werden unter der Verantwortung der spezialisierten psychopädagogischen Kompetenzzentren durchgeführt.
Individualisierter (Aus-)Bildungsplan (in der Sekundarschule)
Die Inklusionskommission (commission d’inclusion, CI) einer Sekundarschule kann einen individualisierten (Aus-)Bildungsplan (plan de formation individualisé, PFI) anbieten. Die CI ermittelt so die Fächer und Kompetenzen, die den Fähigkeiten des Schülers mit besonderem Förderbedarf entsprechen, und passt den Unterrichtsrhythmus seinen Fähigkeiten an. Die Eltern bzw. der volljährige Schüler müssen dem PFI zustimmen.
Individualisierter Betreuungsplan (in der Grundschule)
Die bei den Regionaldirektionen des Grundschulunterrichts eingerichteten Inklusionskommissionen (commissions d’inclusion, CI) können für jeden Schüler mit besonderem Förderbedarf individualisierte Betreuungspläne (plans de prise en charge individualisés, PCI) ausarbeiten. Diese Pläne können verschiedene Maßnahmen beinhalten, wie z. B. die Anpassung des Unterrichts in der Klasse, die Betreuung in der Klasse durch externe Fachkräfte oder den zeitweiligen Besuch des Schülers einer anderen Klasse als der Regelklasse. Der Plan wird den Eltern zwecks Genehmigung vorgelegt.
Individualisierter Förderplan (in den Kompetenzzentren)
Die Mitarbeiter der Kompetenzzentren erstellen einen individualisierten Förderplan (plan éducatif individualisé, PEI) für jeden Schüler mit besonderem Förderbedarf, den sie betreuen. Diese Pläne orientieren sich an den regulären Lehrplänen des Grundschul- und Sekundarunterrichts. Sie werden an den besonderen Förderbedarf jedes betreuten Schülers angepasst.
Inklusionskommissionen (CI) an den Grundschulen
Aufgabe der Inklusionskommissionen (commissions d’inclusion, CI) jeder Regionaldirektion des Grundschulunterrichts ist es, die Eltern über die verschiedenen zu empfehlenden Betreuungsmaßnahmen zu informieren und gegebenenfalls die angemessenen Maßnahmen festzulegen, die dem Schüler angeboten werden können. Diese Maßnahmen werden dann in den individualisierten Betreuungsplan (plan de prise en charge individualisé, PCI) des Schülers aufgenommen, der im gegenseitigen Einvernehmen zwischen der CI und den Eltern ausgearbeitet wird. Die CI sorgt für die Umsetzung des PCI und bewertet ihn jährlich, um die Anpassungen vorzunehmen, die als erforderlich erachtet werden, um den schulischen Fortschritt des Schülers sicherzustellen. Die CI weist jedem Schüler eine Bezugsperson zu. Diese Person ist der Ansprechpartner für den Schüler und seine Eltern.
Die CI kann sich mit Erlaubnis der Eltern auch an die Commission nationale d’inclusion (CNI, Nationale Inklusionskommission) wenden. Die Eltern können die CNI aber auch direkt kontaktieren.
Inklusionskommissionen (CI) an den Sekundarschulen
Aufgabe der Inklusionskommission (commission d’inclusion, CI) der Sekundarschule ist es, Schüler und Eltern über die verschiedenen zu empfehlenden Betreuungsmaßnahmen zu informieren und gegebenenfalls die angemessenen Maßnahmen, die dem Schüler angeboten werden können, festzulegen.
Diese Maßnahmen werden dann in den individualisierten (Aus-)Bildungsplan (plan de formation individualisé, PFI) des Schülers aufgenommen, der im gegenseitigen Einvernehmen zwischen der CI, dem Schüler und den Eltern ausgearbeitet wird.
Die CI sorgt für die Umsetzung des PFI und bewertet ihn jährlich, um die zur Sicherstellung des schulischen Fortschritts des Schülers für erforderlich erachteten Anpassungen darin aufzunehmen.
Falls sie der Ansicht ist, dass der Schüler angemessene Vorkehrungen benötigt, kann die CI die Commission des aménagements raisonnables (CAR, Kommission für angemessene Vorkehrungen) hinzuziehen, sofern die Eltern oder der volljährige Schüler einverstanden sind.
Die CI kann sich mit Erlaubnis der Eltern auch an die Commission nationale d’inclusion (Nationale Inklusionskommission, CNI) wenden. Der volljährige Schüler bzw. die Eltern können die CNI aber auch direkt kontaktieren.
Kompetenzzentren
Die spezialisierten psychopädagogischen Kompetenzzentren (centres de compétences en psychopédagogie spécialisée) sind Einrichtungen, die Schülern mit besonderem Förderbedarf zusätzlich zum Angebot der Grund- und Sekundarschulen spezialisierte Dienste anbieten. Das Angebot der Kompetenzzentren umfasst beispielsweise:
- eine Fachdiagnose;
- Beratung für Fachkräfte oder das Umfeld des Schülers (Familie, Klasse usw.);
- spezialisierte ambulante Interventionen in den Klassen des regulären Unterrichts;
- spezialisierte Beschulung in einer Klasse eines Kompetenzzentrums.
In Luxemburg gibt es acht Kompetenzzentren und eine Agentur:
- Centre de logopédie (CL, Logopädisches Kompetenzzentrum);
- Centre pour le développement des compétences relatives à la vue (CDV, Kompetenzzentrum für Entwicklung von Kompetenzen in Verbindung mit dem Sehen);
- Centre pour le développement socio-émotionnel (CDSE, Kompetenzzentrum für sozial-emotionale Entwicklung);
- Centre pour le développement des apprentissages « Grande-Duchesse Maria Teresa » (CDA, Kompetenzzentrum für Lernentwicklung Großherzogin Maria Teresa;
- Centre pour le développement moteur (CDM, Kompetenzzentrum für motorische Entwicklung);
- Centre pour le développement intellectuel (CDI, Kompetenzzentrum für intellektuelle Entwicklung);
- Centre pour enfants et jeunes présentant un trouble du spectre de l’autisme (CTSA, Kompetenzzentrum für Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen);
- Centre pour enfants et jeunes à haut potentiel (CEJHP, Kompetenzzentrum für Kinder und Jugendliche mit Hochbegabung);
- Agence pour la transition vers une vie autonome (ATVA, Agentur für den Übergang in ein autonomes Leben).
Schüler mit besonderem Förderbedarf (EBS)
Als Schüler mit besonderem Förderbedarf (élève à besoins éducatifs spécifiques, EBS) gelten Kinder oder Jugendliche, die nach internationalen Klassifikationen Defizite oder Schwierigkeiten aufweisen bzw. deutlich größere Lernprobleme haben als die Mehrheit der gleichaltrigen Kinder oder Jugendlichen. Als Schüler mit besonderem Förderbedarf werden auch Schüler mit einer Hochbegabung berücksichtigt, die eine spezielle Betreuung benötigen, um ihre Fähigkeiten bzw. ihr Potenzial voll entfalten zu können.
Die Betreuung eines Schülers mit besonderem Förderbedarf kann somit nicht mit den Mitteln, die dem für ihn verantwortlichen Lehrpersonal normalerweise zur Verfügung stehen, gewährleistet werden. Er kann Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen, die ihm entsprechend seinen individuellen Bedürfnissen angeboten werden, in Anspruch nehmen. Der besondere Bedarf kann insbesondere die Förderschwerpunkte Motorik, Sehen, Sprache oder Hören, kognitive Entwicklung oder Verhalten betreffen.
Schulische Inklusion
Die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf ist eine der Prioritäten der luxemburgischen Regierung. Sie betrifft sehr unterschiedliche Bereiche, wie:
- den Unterricht und die Ausbildung (Grundschule, Sekundarschule, Berufsausbildung, Hochschulbildung, Musikunterricht, Erwachsenenbildung);
- die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen (Kinderkrippen oder maisons relais);
- die Jugendaktivitäten (wie Jugendhäuser, Ferien- und Freizeitaktivitäten).
Die verschiedenen Hilfsmaßnahmen, die den Schülern mit spezifischem Förderbedarf angeboten werden, dienen in erster Linie dazu, den Schülern zu ermöglichen, den regulären Schulunterricht in ihrer Klasse in der Grund- oder Sekundarschule zu besuchen. Besucht ein Schüler mit besonderem Förderbedarf ein Kompetenzzentrum oder eine Schule im Ausland, bleibt er weiterhin in seiner Herkunftsklasse eingeschrieben.
Service national de l’éducation inclusive (SNEI)
Der Service national de l’éducation inclusive (SNEI, Nationale Behörde für inklusive Bildung) hat die Aufgabe, die inklusive Bildung zu fördern und die Qualitätsentwicklung der Unterstützungsmaßnahmen für Schüler mit besonderem Förderbedarf sicherzustellen. Er ersetzt den früheren Service de la scolarisation des élèves à besoins spécifiques (S-EBS, Abteilung für die Beschulung von Schülern mit besonderem Förderbedarf).
Spezialisierte ambulante Intervention (ISA)
Spezialisierte ambulante Interventionen (interventions spécialisées ambulatoires, ISA) sind spezialisierte Betreuungen, die von den Kompetenzzentren zugunsten der Schüler mit besonderem Förderbedarf gewährleistet werden. Sie werden in einer Klasse einer Grund- oder Sekundarschule zusätzlich zu den in den Grund- oder Sekundarschulen ergriffenen Maßnahmen durchgeführt. Die Fachkräfte der Kompetenzzentren handeln somit in enger Zusammenarbeit mit dem Personal der Grund- und Sekundarschulen.
Spezialisierte Beschulung
Bei der spezialisierten Beschulung handelt es sich um eine spezialisierte Betreuung eines Schülers mit besonderem Förderbedarf in einer Klasse eines Kompetenzzentrums oder gleichzeitig und ergänzend in einer Klasse einer Grund- oder Sekundarschule und in einer Klasse eines Kompetenzzentrums.
Spezialisierte Betreuung
Eine spezialisierte Betreuung kann folgendermaßen organisiert werden:
- ausschließlich in einer Grundschule, einer Sekundarschule oder einem Kompetenzzentrum; oder
- gleichzeitig und ergänzend in einer Grund- oder Sekundarschule und in einem Kompetenzzentrum.
Hierbei kann es sich um:
- eine spezialisierte Beschulung,
- eine spezialisierte ambulante Intervention (intervention spécialisée ambulatoire, ISA),
- eine Rehabilitations- und Therapiesitzung,
- einen spezifischen Lernworkshop handeln.
Spezialisierte Lehrer für Schüler mit besonderem Förderbedarf (I-EBS)
Die spezialisierten Lehrer für Schüler mit besonderem Förderbedarf (instituteurs spécialisés dans la scolarisation des élèves à besoins éducatifs spécifiques, I-EBS) werden direkt den Grundschulen zugeteilt. Somit sind sie die ersten Ansprechpartner der Schüler mit besonderem Förderbedarf, ihrer Eltern, der Klassenlehrer und der pädagogischen Teams. Sie können die Schüler direkt in der Klasse unterstützen und arbeiten eng mit den Mitgliedern des Unterstützungsteams der Schüler mit besonderem Förderbedarf (équipes de soutien des élèves à besoins éducatifs spécifiques, ESEB) und den Inklusionskommissionen (commissions d’inclusion, CI) zusammen.
Spezifische Lernworkshops
Die spezifischen Lernworkshops ergänzen das reguläre Unterrichtsangebot. Sie werden von einem Kompetenzzentrum entweder an einem seiner dezentralen Standorte oder in einer Grund- oder Sekundarschule bzw. an einem anderen angemessenen Ort während oder außerhalb der regulären Unterrichtszeiten angeboten. Durch das Angebot von spezifischen Lernworkshops bringen die Kompetenzzentren Schüler mit ähnlichen Bedürfnissen zusammen. Sie bieten gezielte Maßnahmen zur Verbesserung von spezifischen Kompetenzen an, zum Beispiel der Seh-, Sprach- oder Hörkompetenzen oder im Bereich der Hochbegabung.
Unterstützungsteams für Schüler mit besonderem Förderbedarf (ESEB)
Die Unterstützungsteams für Schüler mit besonderem Förderbedarf (équipes de soutien des élèves à besoins éducatifs spécifiques, ESEB) sind entweder auf Ebene der Regionaldirektionen des Grundschulunterrichts oder auf Ebene der Sekundarschulen tätig. Sie beraten das Lehrpersonal bei der direkten Betreuung der Schüler mit besonderem Förderbedarf und können ambulante Betreuungen, wie z. B. Unterstützung in der Klasse, gewährleisten. Sie können in Zusammenarbeit mit den betroffenen Lehrkräften eine erste Diagnose erstellen und die Betreuung der Schüler infolge der von der Inklusionskommission (commission d’inclusion, CI) getroffenen Maßnahmen gewährleisten.